Aber was bedeutet das genau und wie geht das? Das möchte ich in diesem Artikel erläutern und auf den Punkt bringen.
Dieses Thema ist wohl eines der am häufigsten angefragten und besprochensten Themen wenn es um Kinder geht. Insbesondere wenn es um Kleinkinder geht. Denn das ist die Zeit in der dieses Thema enorm wichtig wird. Es gibt hunderte Artikel und Blogbeiträge online und auch ganze Bücher zu diesem Thema. Dennoch bleiben häufig viele Fragen offen, oder es gibt keine konkreten Antworten, wie man denn das jetzt macht, mit den Grenzen. Ich möchte versuchen möglichst kurz und präzise zusammenzufassen, was aus meiner Sicht zu diesem Thema wichtig ist:
Was sind Grenzen?
Der Begriff ist allgegenwärtig und wird immer wieder verwendet. Doch was genau sind eigentlich Grenzen? Und wie kann ich einer anderen Person eine Grenze aufzeigen oder setzen?
Alleine das Wort ist, wenn wir es nicht auf physische Attribute beziehen, eher abstrakt. Einfacher erscheint es mir im Kontext der Begleitung von Kindern von Regeln zu sprechen. Es gibt Regeln, die sehr individuell und in jeder Familie anders sein können, die, wenn die Kinder noch klein sind von den Erwachsenen fest gelegt werden und wenn die Kinder älter sind, eventuell auch schon im Familienverband gemeinsam festgelegt werden können. Dies ist jedoch bei Kindern unter 7 Jahren noch eher selten möglich. Bleiben wir also bei dem Beispiel der Kleinkinder und Kindergartenkinder bzw. der Kinder unter 7 Jahren. Eltern legen bestimmte Regeln fest, diese sollen dann von den Kindern eingehalten werden.
Wie geht das mit den Grenzen/Regeln?
Eine wirklich hilfreiche Beschreibung der Festlegung oder des ‚Durchsetzens‘ von Regeln, habe ich von Dr. Becky Kennedy aus den USA von der Initiative „Good Inside“ gehört. Eine Grenze zu setzen, ist dann, wenn ICH (der/die Grenzen-SetzerIn) etwas TUE, die andere Person, welche die Grenze sozusagen gesetzt bekommt muss nichts tun. Alles andere, ist keine Grenz-Setzung oder Regel-Einhaltungs-Einforderung, sondern eine Bitte oder eine Aufforderung. Wenn also unser 4-jähriges Kind vom Garten einen Topf Erde mit ins Haus bringt, um damit zu spielen, es aber in unserem Haus die Regel gibt, dass im Haus nicht mit Erde gespielt wird und wir sagen: „ Amelie, bitte bring die Erde wieder hinaus, ich möchte nicht, dass im Haus mit Erde gespielt wird.“ Ist das eine Bitte oder eine Aufforderung. Einer Bitte kann ich nachkommen, wenn ich möchte – oder eben auch nicht. Eine Grenze wäre es demnach, wenn wir uns zu unserem Kind begeben und sagen: „Ich werde die Erde aus dem Haus geben, denn ich möchte nicht, dass im Haus mit der Erde gespielt wird. Möchtest du mir dabei helfen?“ Daraufhin können wir abwarten, ob das Kind sich vielleicht entscheidet mitzuhelfen oder auch nicht. Es könnte natürlich auch sein, (bzw. ist vielleicht eher wahrscheinlicher) dass es daraufhin mit Wut oder Traurigkeit reagiert. Denn die Reaktion auf eine Grenzsetzung können wir niemals beeinflussen. Diese gilt es dann auszuhalten, anzunehmen und im Besten Fall, zu begleiten.
Grundsätze und Grundhaltung
Das Wichtigste zum Schluss: liebevoll eine Grenze setzen können wir nur, wenn wir nicht getriggert sind und nicht im Ausagieren eines unserer Muster oder einer Strategie, die wir durch unser bisheriges Erleben in der Welt in uns automatisiert haben. Eine liebevolle Grenze können wir setzen, wenn wir präsent und unserem Kind gegenüber offen und herzlich sind. Denn wenn wir gerade getriggert sind, dann kommt meistens das zum Vorschein, was wir selbst als Kind in solchen Situationen erlebt haben oder was unsere Impulse gerade so hergeben. Es ist meist auch gar nicht so entscheidend was genau wir zu unseren Kindern sagen, also welche Formulierung wir für eine Grenzsetzung wählen, sondern vielmehr mit welcher inneren Haltung wir unseren Kindern gegenüber treten.
Spannend ist auch die Frage: WARUM möchten wir eine Grenze setzen? Sehr häufig hören wir, dass Kinder Grenzen brauchen, denn ansonsten würden sie irgendwann zu ‚Tyrannen‘ oder sie werden versuchen die Eltern zu manipulieren. Diese Idee unterstellt Kindern, dass sie gefinkelt und ausgeklügelte Pläne haben, um ihren Willen durchzusetzen, dass sie alles tun, um für sich selbst das Beste heraus zu holen, ohne Rücksicht auf Verluste. Und wer von uns schon mal ein Kleinkind beim Aufwachsen begleitet hat, könnte schnell in Versuchung geraten genau das zu denken – denn ehrlicherweise gibt es sehr viele Situationen, in denen man das Gefühl hat, dass es tatsächlich so sein könnte. Das haben sich auch die meisten unserer Eltern gedacht (Generation Boomer) und die Generationen davor. Und genau deshalb gab es für viele Kinder harte Strafen, Beschämung und autoritäre Strenge in der Erziehung. Und genau deshalb gibt es heute so viele Erwachsene, die nicht daran glauben, dass sie selbst wertvoll und liebenswert sind.
Grundlegend beim Thema Grenzen Setzen sollte sich also unsere Haltung verändern – Warum wir Kindern Grenzen setzen. Ich persönlich denke und habe auch die Erfahrung gemacht, dass eine Haltung die den Kindern keine manipulativen Bestreben unterstellt, sondern im Gegenteil davon ausgeht, dass Kinder kooperieren möchten, wenn sie es denn können – also wenn sie dazu in der Lage sind, nicht nur das Grenzen setzen erleichtert, sondern die gesamt Begleitung im Aufwachsen. Weiters wird sie Kinder hervorbringen, die sich selbst als liebevoll und gut ansehen, die wissen, dass sie tolle Menschen sind, auch wenn sie sich nicht immer ‚gut‘ oder Regelkonform verhalten. Denn das sind sie. Wenn sie sich nicht an die Regeln halten, dann nicht aus Boshaftigkeit, oder weil sie die Grenzen austesten möchten, sondern weil sie gerade nicht in der Lage sind, sich daran zu halten, sei es aufgrund ihrer Emotionen, die sie überfordern und nicht kontrollieren können oder aufgrund ihres Schöpferdranges und ihrer Freiheitsliebe, ihres Sich-Ausprobieren-Wollens. Es gibt keine manipulativen Tyrannen-Kinder, es sei denn, WIR machen sie zu diesen.