Reflexionen zum In-der-Welt-Sein

Selbstreflexion

„So hilft uns das Ergründen des Selbst, wieder heimisch zu werden in unserer Zeit. Wir können uns die Geschichte des Lebens auf der Erde zu eigen machen, sie als unsere eigene Geschichte begreifen. Wir waren zugegen in dem ersten Feuerball, dann in den Regenwolken, die auf dem noch glühenden Planeten verdampften und später in den Fluten der Urmeere. Im Schoß unserer menschlichen Mutter erinnern wir uns an diese Reise. Bevor wir uns weiterentwickeln, bilden wir Ansätze von Kiemen, Schwänzen und Flossen aus. Unter den äußeren Schichten des Neokortex und jenseits von dem, was wir in der Schule gelernt haben, ist diese Geschichte in uns – die Geschichte unserer Verwandtschaft mit allem Leben – und sie erschließt uns Stärken, die wir niemals erträumt hätten. Nehmen wir diese Geschichte an, als tiefstes Verständnis von dem, wer wir sind, wächst in uns eine Freude, die uns helfen wird, zu überleben.“ (Macy, Joanna; 2009; Geliebte Erde, gereiftes Selbst – Mut zu Wandel und Erneuerung; S. 153)

Warte nicht!

„Warte nicht, tue es einfach. Eine bessere Gelegenheit kommt vielleicht niemals. Lege einen Stein auf den anderen. Vergeude deine Geisteskraft nicht damit, deine kurzfristigen Erfolgschancen zu berechnen, denn dieser Weg ist weit, voll unvermeidbarer Risiken und großer Mühen. Du brauchst dafür einen langen Atem, dessen sei dir gewiss. Also, mach einfach weiter, stetig und munter wie ein Khampa-Pony auf seinem Weg durch die Berge. Was auf lange Sicht zählt, ist Beharrlichkeit.“ (Macy, Joanna; 2009; Geliebte Erde, gereiftes Selbst – Mut zu Wandel und Erneuerung; S. 164)

leben

Alles ist untrennbar mit Allem verbunden und voneinander abhängig

“Wir leben im Gewebe des Lebens in wechselseitigem Geben und Nehmen mit Menschen, anderen Geschöpfen und der Erde und erkennen an, dass sie ein Teil von uns und wir ein Teil von ihnen sind.”

Harvey Sindima über die traditionelle Weltsicht mit der er in Malawi, Afrika aufgewachsen ist (Macy Joanna, Johnstone Chris, 2014, Hoffnung durch Handeln – Dem Chaos standhalten, ohne verrückt zu werden, S. 95)

 

“Ehrfurcht vor dem Leben bedeutet Abscheu vor dem Töten”      Albert Schweitzer

Zerbrechen

„Sich klar zu machen, dass es gar nicht so schlimm ist, zu zerbrechen, hilft. Tatsächlich ist Zerbrechen ein Merkmal evolutionärer und psychologischer Wandlungsphasen, wie wir im Aufbrechen einer Schale oder Panzerung erkennen können, die für das darin wohnende Lebewesen zu eng geworden ist. … Was da in Zeiten rapiden Wandels ‚zerfällt‘ ist nicht das Selbst, sondern seine Abwehrmechanismen und Konzepte. Wir sind keine Gegenstände, die zerbrechen können. Als offene Systeme sind wir, wie der Kybernetiker Norbert Wiener sagt, “nur Strudel in einem Fluss unablässig fließenden Wassers. Wir sind nicht dauerhafter Stoff, sondern Bewegungsmuster, die sich beständig selbst erneuern.” Wir müssen uns nicht gegen Veränderungen schützen, denn Wandel ist unsere wahre Natur. Abwehrendes Verhalten als Selbstschutz engt, gleich einer Rüstung, unser Blickfeld ein, begrenzt unsere Bewegungsfreiheit und erschwert uns die Anpassung. Das macht uns nicht nur unflexibel, es unterbricht auch den Strom der Informationen, dir wir zum Überleben brauchen. Unser ‚Zerbrechen‘, so unbehaglich es für uns auch sein mag, erschließt uns neue Wahrnehmungen, neue Informationen, neue Antworten.” (Macy, Joanna; 2009; Geliebte Erde, gereiftes Selbst – Mut zu Wandel und Erneuerung; S. 93, 94)

Natur

“Unglücklicherweise hat das umfangreiche Moralisieren innerhalb der ökologischen Bewegung der Öffentlichkeit den falschen Eindruck vermittelt, dass sie in erster Linie gebeten wird zu opfern, mehr Verantwortlichkeit, mehr Sorge und bessere Moral zu zeigen … Die notwendige Fürsorge fließt ganz natürlich, wenn das Selbst weiter und tiefer wird, sodass der Schutz der freien Natur wie der Schutz unseres eigenen Selbst empfunden und wahrgenommen wird.”   Arne Naess

“Ethik ist ins grenzenlose erweitere Verantwortung gegen Alles, was lebt”   Albert Schweitzer

Spaziergang in die Innenwelt

Vieles in unserer aktuellen Kultur bezieht sich und fokussiert auf die Außenwelt, insbesondere social media, Status- und Erfolgsdenken, Konkurrenzdenken, etc.. So wie wir in der Außenwelt manchmal einen Spaziergang in den Wald machen, können wir auch Zeiten und Räume schaffen und einen Spaziergang in unsere Innenwelt unternehmen. Immer wieder in uns gehen, nachschauen welche Themen, Gefühle, Anteile in uns gerade ‚laut‘ sind, welche ‚leiser‘ (geworden oder gar verstummt) sind. Wenn wir das regelmäßig machen, fällt es uns leichter unsere inneren Anliegen zu erkennen und zu verstehen und eine Balance zwischen Innen und Außen zu erreichen.

Schmerz, Verletzung

Verletzungen, die im Laufe unseres Lebens in Beziehungen entstehen, können durch Beziehungen auch wieder heilen

Schmerz spüren, durchleben; nicht darin versinken, annehmen

„Wenn wir uns auf diesen unseren Schmerz einlassen, das Wagnis eingehen, ihn wirklich zu fühlen, dann erfahren wir unsere Fähigkeit, mit anderem Leben zu fühlen und zu leiden – die Fähigkeit zu echtem Mitgefühl und Mitleid. Wir lernen, die wahre Größe unseres -> Herz-Verstandes kennen und wie er uns helfen kann, unsere Ängste zu überwinden. Zuvor waren wir jede und jeder mit unserem individuellen Leid allein und getrennt. Nun hilft uns dieses Leid, uns in Bereiche zu öffnen, in denen wir die Welt als Geliebten und als unser Selbst erfahren können.
In unserem Sein sind wir mit allem Leben verbunden und diese Tatsache, die wir durch unseren Schmerz um die Welt als sehr real erleben, bringt uns dazu, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Sie verhilft uns zu einem ganz neuartigen Verständnis dessen, wer wir sind und welche Form in Beziehungen wir als Menschen miteinander im gesamten Universum leben.“ (Macy, Joanna; 2009; Geliebte Erde, gereiftes Selbst – Mut zu Wandel und Erneuerung; S. 83)

„Leugnen wir den Schmerz verhalten wir uns wie blockierte und verkümmerte Nervenzellen: Abgeschnitten vom Strom des Lebens schwächen wir das größere Ganze, dessen Teil wir sind. Wenn wir aber zulassen, dass der Schmerz seinen Weg durch uns nimmt., bekräftigen wir unsere Zugehörigkeit und stärken zugleich das kollektive Bewusstsein des größeren Ganzen. Im Vertrauen, dass wir weder an ihm zerbrechen noch dass er uns isolieren wird, können wir uns dem Schmerz der Welt öffnen, denn wir sind keine zerbrechlichen Gegenstände. Wir sind elastische und belastbare Energiemuster in einem weitläufigen Gewebe des Erkennens.“ (Macy, Joanna; 2009; Geliebte Erde, gereiftes Selbst – Mut zu Wandel und Erneuerung; S.124)

Gewahr werden

Aus dem Alltag aussteigen. Das große Ganze sehen. Unseres wahren Seins, unserer wahren Natur gewahr werden. Erkennen wer wir wirklich sind:

Lebewesen, die aus der Natur hervor gegangen sind. Naturwesen.

Beständigkeit: es war schon immer so und wird immer so sein

Zugehörigkeit. Vertrauen. Eingebundenheit. Abhängigkeit. Halt. Geborgenheit. Verwandt-Sein.

Erkennen, fühlen, spüren.